Jeden Tag gibt es neue Literatur über Fische, mit Informationen darüber, was sie brauchen für gutes Wohlbefinden und wie sie sich verhalten unter bestimmten Bedingungen. Aber wer hat Zeit diese riesigen Mengen an Literatur zu lesen? Und auch nur ein kleiner Teil der Bevölkerung hat Zugang zu diesen Informationen. Dabei wäre es doch toll, wenn wir Fische besser verstehen könnten.
Mehr und mehr haben wir nicht nur aus sozialen, moralischen und ethischen Gründen die Verpflichtung mit Fischen tiergerecht und würdevoll umzugehen, sondern wir sind auch gesetzlich dazu aufgefordert für die Tiere entsprechend Sorge zu tragen.
Die nun regelmässig folgenden Blogeinträge werden vielleicht nicht alles widerspiegeln können, was gerade in der Literatur besonders wichtige Themen in der Forschung mit Fischen sind. Aber es gibt immer wieder einzelne Publikationen, die besonders hervorstechen. Entweder durch Bearbeitung von Themen, die bisher noch gar nicht beachtet wurden. Oder durch Zusammenfassung von bisherigen Erkenntnissen, so dass ein ganz neuer Zusammenhang deutlich wird. Mir macht es auf jeden Fall Spass darüber zu lesen und schreiben und ich hoffe, Ihnen macht es ebenso Spass über diese interessanten Themen rund um Fische, ihr Verhalten und ihr Wohlbefinden mehr zu erfahren.
Gibt es Links- und Rechtshänder bei Fischen ?
Das Verhalten von Tieren ist oft ein guter Indikator dafür, dass sich in der äusseren Umgebung oder innerhalb der Tiere etwas verändert hat. Aus diesem Grund wird das Fischverhalten oft auch als ein geeigneter Indikator für das Wohlbefinden von Fischen angesehen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Berlinghieri et al. (2021) in dem Journal Applied Animal Behaviour Science fasste zusammen, dass die Entwicklungsstufe des Gehirns eine deutliche Rolle spielt in der Plastizität und Kompetenz für bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen. Insbesondere die Lateralität, welches die Fähigkeit ist eine Asymmetrie in den kognitiven Funktionen zwischen den Hirnhälften zu zeigen, wurde erwähnt. Lateralität ist mittlerweile in unserem täglichen Leben häufiger anzutreffen und wird immer besser berücksichtig, zum Beispiel, wenn es um Rechts- oder Linkshändigkeit bei Menschen geht. Diese Unterschiede in der Händigkeit führen zu typischen Neigungen im Verhalten. Zusammengenommen sind etwas 10-11 % der menschlichen Population linkshändig und noch einmal dieselbe Anzahl an Menschen beidhändig. Diese Lateralität ist also recht häufig anzutreffen. Aber wie sieht es mit Lateralität bei Fischen aus?
Obwohl Fische genauso Wirbeltiere sind wie wir, macht ihr Gehirn in der Entwicklung im Embryo andere Entwicklungsschritte durch als bei uns und den übrigen Säugetieren. Das erschwert unser Verständnis für die verschiedenen Funktionen des Fischgehirns. Bisher werden vor allem Vorder-, Mittel-, und hinterer Teil beim Gehirn unterschieden und möglicherweise noch Unterschiede in der Aktivität von weiter oben oder unten liegenden Regionen festgestellt. Umso spannender ist es, dass in bestimmten Situationen trotzdem entweder die rechte oder linke Körperhälfte von Fischen bevorzugt genutzt werden können. Lateralität liegt also auch bei Fischen vor.
Sozialverhalten ist scheinbar oft Lateralität ausgesetzt. Beispielsweise wurde in der oben genannten Studie erwähnt, dass Fische entweder die Nutzung des rechten oder des linken Auges zeigen während sozialer Interaktionen. Andere Beispiele für die Bevorzugung von entweder der rechten oder der linken Körperseite betreffen auch aggressives Verhalten und Verhalten im Zusammenhang mit Futteraufnahme.
Jedoch ist dies eine individuelle Präferenz, deren Bedeutung für eine Gruppe von Fischen unklar zu sein scheint. Ein Verhalten würde von einer Gruppe von Fischen übernommen werden, wenn dieses in irgendeiner Weise vorteilhaft wäre. Also entweder wäre das individuelle Andersverhalten selbst vorteilhaft. Oder aber es wäre dennoch vorteilhaft ein nicht-optimales Andersverhalten einzelner Fische nachzuahmen, um weiterhin im Fischschwarm insgesamt ein synchrones Verhalten zu zeigen. Und ein perfektes Schwarmverhalten ist für viele Fischarten wichtig, beispielsweise um Energie zu sparen oder die Angriffe von Räubern zu vermeiden. Unterschiede in der bevorzugten Schwimmrichtung kann zum Beispiel entstehen durch individuelle Unterschiede im Körperbau. Lateralität hat somit physiologische Grundlagen. Es gibt aber auch erlernte Lateralitäten. Demnach gibt es auch beides: vererbbare laterale Verhaltensweisen und welche, die im Laufe des Lebens erworben werden.
Das Schwimmverhalten wird auch durch das Einwirken von Stress verändert und ist daher ein möglicher Indikator für das Wohlbefinden von Fischen. Individualität von einzelnen Fischen kann hier aber auch von Vorteil sein, wenn sich dadurch Fische besser an neue Situationen anpassen können.
Wenn Fische eher das rechte oder linke Auge bevorzugen für die Überwachung, ob Räuber in der Nähe sind, nehmen sie im Schwarm auch gern eine Position ein, in der das bevorzugte Auge dieses Verhalten gut ausüben kann. Eine andere Position im Schwarm könnte zu Stress oder Ängsten führen, weil das bevorzugte Verhalten nicht optimal ausgeführt werden kann.
Dies führt zu der nächsten Frage: Haben wir in der Aquakultur passende Individuen für die Zucht ausgesucht? Eine bevorzugte Schwimmrichtung, die nicht derjenigen entspricht, die die meisten Fische in einem Netzgehege oder Rundbecken in der Aquakultur zeigen, kann zu Kollisionen zwischen den Fischen führen und Unruhe in der Fischhaltung führen. Dort wäre Individualität von Fischen also von uns eher unerwünscht. Wenn es aber darum geht sich als erster Fisch aufgrund von Lateralität besonders schnell an eine neue Fütterung zu gewöhnen, könnte sich daraus ein Wachstumsvorteil ergeben. Zunächst nur für den Fisch, der den individuellen Vorteil zeigt, aber falls andere Fische dieses neue Verhalten übernehmen können, würde dies eine bessere Anpassungsfähigkeit für viele Fische bedeuten. Seien wir also dankbar dafür, dass auch Fische mitunter Individualisten sind
23.Dezember 2021
Neue Indikatoren für das Fischwohl
Schon recht lange sind Forschung und Industrie damit beschäftigt Indikatoren zu entwickeln, die bestmöglich das Wohlbefinden von Fischen in der Aquakultur beschreiben. Zunächst wurde dafür auf möglichst einfach messbare Parameter wie die Wasserqualität Wert gelegt. Doch nur eine gute Wasserqualität ist leider nicht ausreichend, um das Wohl von Fischen in der Zucht zu garantieren. Frühere Warnsysteme für schlechtes Wohlbefinden der Fische wären nötig, um bei den Tieren Stress zu vermeiden, Krankheiten zu verhindern und Auswirkungen einer falschen Haltungsumgebung zu reduzieren. Dafür wäre jedoch ein kontinuierliches oder wenigstens sehr regelmässiges Überwachen der Fisch nötig und dies stell technisch eine Herausforderung dar bzw. stellt mitunter auch einen grösseren finanziellen und/oder zeitlichen Aufwand dar. Eine kürzliche Veröffentlichung von Barreto et al. (2021) aus dem Journal Reviews in Aquaculture gibt einen guten Überblick zu invasiven und nicht-invasiven Messmethoden. Letztere erfordern keine direkte Entnahme von Proben von den Tieren und werden daher als schonender angesehen.
Ein oft gut geeigneter Indikator ist das Fischverhalten, da es mit Videokameras aufgenommen oder sogar kontinuierlich überwacht werden kann, ohne dass die Fische dadurch gross gestört werden. Kameras sind in Fischzuchten mit höher Trübung im Wasser jedoch ungeeignet. Und in Fischzuchten ist es eher üblich das Verhalten von Gruppen zu beurteilen als das von einzelnen Tieren. Gerade aber das veränderte Verhalten von einzelnen Tieren kann ein Hinweis darauf sein, dass etwas mit dem Fischbestand nicht stimmt. Daher sind neueste Studien zum individuellen Erkennen von einzelnen Fischen auf Videomaterial ein deutlicher Fortschritt in der Erhebung von Fischverhalten auch auf der individuellen Ebene. Andere Studien zeigten, dass es auch neuere Methoden gibt für die Erhebung des Fischwachstums oder die Bestimmung von Stresshormonen aus Kiemenmaterial oder Fischschuppen. Ausserdem gibt es auch immer kleinere Sensoren, die in Fische eingesetzt werden können, um physiologische Daten, wie zum Beispiel Blutzucker oder die Herzrate zu überwachen. Die Sensoren können jedoch immer nur für einzelne Tiere eingesetzt werden und haben eine begrenzte Lebensdauer.
All die hier erwähnten Methoden geben uns mehr Informationen über das Wohlbefinden und die Performance von Zuchtfischen, jedoch sind die wenigsten soweit, dass sie tatsächlich auf Fischzuchten routinemässig eingesetzt werden können. Auf Fischfarmen werden vorzugsweise operationale Welfare Indikatoren eingesetzt, die einfach und innerhalb des laufenden Betriebes erhoben werden können. An erster Stelle stehen dort immer noch die bereits oben erwähnten Wasserqualitätsparameter. Weiterhin sind Mortalitäten, die äussere Erscheinung und Veränderungen des Verhaltens mögliche Parameter, die von Fischzüchtern beurteilt werden können. Alle Messwerte, die Laborarbeit erfordern, sind hingegen nicht so einfach zu bestimmen. Da aber in den letzten Monaten fast jeder bereits Covid-Selbsttests gelernt hat durchzuführen, sollte auch die Anwendung von derartigen Testsystemen für die routinemässige Analyse von Fischwohl auf kommerziellen Fischfarmen in Zukunft nicht mehr als unmöglich angesehen werden.
21. Januar 2022
Digitalisierung in der Fischzucht: Warum ist es schwierig Fischverhalten messbar zu machen ?
Dass es schwierig ist das Befinden von Fischen in einem Schwarm einzuschätzen, hat vielleicht schon jeder einmal erlebt, der vor einem gut besetzten Fischbecken stand. Nur auf die Messtechnik zu schauen, die uns die Wasserqualität anzeigt, hilft uns nicht allein. Wir müssen also das Fischverhalten anschauen: schwimmen alle Fische gleichmässig? Sondern sich manche Fische vom Schwarm ab und schwimmen allein herum? Zeigen sie Anzeichen für eine Erkrankung? Ist die Atmung der Fische regelmässig? Und wie verhalten sich die Fische bei der Fütterung?
Gerade bei schwachen Lichtverhältnissen sind direkte Beobachtungen des Fischverhaltens schwierig und auch computer-basierte Systeme kommen unter diesen Bedingungen oft an ihre Grenzen. Und durch eine künstliche Lichtquelle ein Fischhaltungsbecken optimal auszuleuchten ist auch kaum eine Option, da dadurch die innere Uhr der Fische durcheinandergebracht werden kann und auch die Gesundheit der Fische beeinträchtigt werden kann. Daher werden neuerdings oft Sonar und optische System in Kombination angewendet um klare Bildaufnahmen von Fischen Unterwasser zu erstellen. Damit dies ausgewertet werden kann, ist eine grosse Rechenleistung der Computer von Nöten und sogenannte künstliche Intelligenz (=artificial intelligence). Künstliche Intelligenz mag uns vielleicht als Wort immer noch ein wenig Angst einflössen, aber sie hat schon sehr lange in unserem Alltag Einzug erhalten indem automatisiert ausgewertet wird, was wir im Supermarkt kaufen oder im Internet als Filme anschauen.
Nun hat also seit ein paar Jahren auch die künstliche Intelligenz in der Fischzucht Einzug erhalten. Der Vorteil ist sehr offensichtlich: man muss nicht selber visuell die Tiere kontinuierlich im Auge behalten, sondern Sonar, Kameras, Messsonden für Wasserqualität und Computer können das für uns übernehmen und nach einem entsprechenden Training auch die Auswertung für uns weitestgehend übernehmen. Ein weiterer Vorteil wird auch noch deutlich: diese Einschätzungen der Fische können stattfinden ohne dass das Verhalten der Tiere durch die Anwesenheit eines Menschens vor Ort beeinflusst wird. Und die neueste Studie von Terayama et al. (2019) zeigt, dass das auch sehr gut unter schwachen Lichtverhältnissen automatisiert klappen kann und auch wenn verschiedene Fischarten zusammengehalten werden. In dieser Studie wurden vor allem abrupte Bewegungsänderungen als Anzeichen für Stress bei den Fischen verwendet. Andere Parameter in das Programm zu integrieren ist grundsätzlich möglich, erhöht aber den Trainingsaufwand für das System und eine höhere Rechenleistung der Computer ist nötig. Grundsätzlich ist also die automatisierte Verhaltensauswertung bei Fischen eine sehr gute Idee und technisch mittlerweile durchaus möglich, aber der grösste Nachteil zeigt auch deutlich, warum diese Methoden längst noch nicht routinemässig eingesetzt werden: es werden mitunter erhebliche finanzielle Investitionen für die Ausstattung und Programmierung benötigt, so dass in den meisten Fällen immer noch unsere eigenen Augen auf die gezüchteten Fische ausgerichtet bleiben.
6.Februar 2022
Verändertes Fischverhalten durch Medikamentenrückstände im Wasser?
Die neuesten Berichte sind recht erschütternd: erst kürzlich wurde eine neue Studie von Wilkinson et al. (2022) veröffentlicht, die weltweit die Verschmutzung von mehr als 250 Gewässern mit Chemikalien, Drogen und Medikamenten untersucht hat. Die Ergebnisse übertreffen sogar bisherige Annahmen: es wurden potenziell toxische Werte in mehr als einem Viertel der untersuchten Flüsse festgestellt. Die Studie ist breit angelegt und mehr als die Hälfte aller Länder der Welt waren beteiligt. Die kritischen Substanzen, die festgestellt wurden, umfassen Medikamente wie zum Beispiel Betablocker, Antibiotica und Antiallergica. Aber auch Antidepressiva, anti-inflammatorische Wirkstoffe, Medikamente für Diabetiker, Schmerzmittel und Antielleptica sind im Wasser anzutreffen. Dies sind also alles chemische Verbindungen, die durch menschliche Aktivitäten ins Wasser gelangen. Aber was passiert, wenn diese Substanzen auf Tiere in den Gewässern treffen? Selbst geringe Konzentrationen der oben genannten Substanzen können langfristig schädigende Wirkungen auf Lebewesen im Wasser haben. Ein Beispiel dafür wurde gerade kürzlich von Gould et al. veröffentlicht: die Wirkungen von Antidepressiva auf Fische. Rückstände dieser Medikamenten können demnach das Verhalten von Fischen verändern. Und dies ist nicht unbedingt verwunderlich, denn die meisten Antidepressiva wirken in Menschen indem sie die Mengen an den Botenstoffen Serotonin, Dopamin oder Adrenalin im Gehirn verändern. Fische haben genau diese Botenstoffe ebenfalls und können daher durch die Anwesenheit von Antidepressiva im Wasser auch beeinflusst werden. Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass die experimentellen Studien mit verschiedenen Fischarten und unterschiedlichen chemischen Verbindungen zeigen, dass Antidepressiva das Schwimmverhalten und die Futteraufnahme der Fische beeinflussen können und ebenfalls Fische aggressiver oder weniger ängstlich machen können. Es ist also wichtig in Zukunft mehr darauf zu achten, dass Medikamente weniger häufig in der Umwelt landen und dass bereits belastete Gewässer eine Chance erhalten, wieder in einen weitestgehend unbelasteten Zustand zurückzukehren.
26. Juli 2022
Und lesen Sie hier bald etwas über:
Können Fische zählen?